Der Zusammenhang zwischen den Genen, schwer kontrollierbarem Hunger und Adipositas
Viele Menschen haben mit Hunger und Gewichtszunahme zu kämpfen, doch bei einer sehr kleinen Anzahl von Menschen kann schwer kontrollierbarer Hunger (medizinisch: Hyperphagie) auf ein Problem in einer Region des Gehirns (dem Hypothalamus) zurückzuführen sein, das durch die Gene verursacht wird.1
Alle Lebewesen bestehen aus Zellen, den Grundbausteinen des Lebens. In unseren Zellen befinden sich die sogenannten „Gene“. Diese Gene kann man mit einer Gebrauchsanweisung für den Körper vergleichen. Manchmal können Gene kleine Fehler haben, vergleichbar mit einem Rechtschreibfehler in der Gebrauchsanweisung.2
In einem solchen Fall funktionieren die Signale im Gehirn, die den Hunger „ausschalten“, nicht richtig. Die Folge kann schwer kontrollierbarer Hunger mit nachfolgender Adipositas sein.3
Im Gehirn erhält der Hypothalamus wichtige Signale vom Rest des Körpers und leitet sie weiter. Man kann sich jedes dieser Signale als eine Kette aus aufgestellten Dominosteinen vorstellen. Eine dieser Ketten ist der sogenannte Melanocortin-4-Rezeptor-Signalweg (kurz MC4R-Signalweg), der eine Rolle bei der Kontrolle des Hungergefühls spielt.
Einige der Dominosteine in der Kette des MC4R-Signalwegs stehen für bestimmte Gene, die jeweils das nächste Gen zum Umfallen bringen. Durch diese Kettenreaktion wird die Botschaft in das Gehirn übermittelt, dass der Körper keine Nahrung mehr braucht.3 Wenn dieser Signalweg normal funktioniert, sind alle Dominosteine am richtigen Platz und werden umgestoßen, um das Signal an das Gehirn weiterzuleiten.1
Entfernt man jedoch einen Dominostein (bzw. ein Gen) aus der Kette, entsteht eine Lücke. In diesem Fall kann die Botschaft nicht ankommen, da die Dominosteine, die hinter der Lücke stehen, nicht mehr umfallen. Infolgedessen glaubt der Körper, er sei immer noch hungrig. Wenn ein solcher Zustand vorliegt, kann eine Krankheit des MC4R-Signalwegs diagnostiziert werden.1
Bei Menschen, die an einer seltenen Krankheit des MC4R-Signalwegs leiden, fehlen einer oder mehrere dieser Dominosteine. Grund ist, dass eine Veränderung des Gens, das wir uns hier als einen Dominostein vorstellen, vorliegt. Bei dieser Krankheit wird dem Gehirn nicht mitgeteilt, dass der Körper satt ist und keine Nahrung mehr benötigt. Stattdessen denkt das Gehirn, der Körper sei immer noch hungrig. Dies kann dazu führen, dass eine Person Adipositas entwickelt. Bei diesen Erkrankungen ist eine Lücke in der Dominokette, d. h. ein gestörter MC4R-Signalweg, die Ursache für den schwer kontrollierbaren Hunger und die darauffolgende Adipositas.1
Wenn Ärzte den Verdacht haben, dass es eine genetische Ursache für den schwer kontrollierbaren Hunger und die Adipositas gibt, können sie die Gene im MC4R-Signalweg testen, um zu sehen, ob sie Veränderungen aufweisen. Denken Sie daran: Wenn solche Veränderungen nachgewiesen werden, hat niemand daran Schuld!
Was können Sie tun?
Wenn Sie glauben, eines oder mehrere dieser Anzeichen bei sich oder Ihrem Kind festgestellt zu haben, laden Sie unseren Gesprächsleitfaden herunter und füllen Sie ihn aus, um sich auf einen Termin bei Ihrem Arzt/Ihrer Ärztin oder dem medizinischen Fachpersonal vorzubereiten.
Mehr entdecken
Literatur:
- 1
Adan RAH, et al. Br J Pharmacol. 2006; 149(7): 815–827
- 2
Genetic Alliance; The New York-Mid-Atlantic Consortium for Genetic and Newborn Screening Services. Understanding Genetics: A New York, Mid-Atlantic Guide for Patients and Health Professionals. Washington (DC): Genetic Alliance; 2009 Jul 8. APPENDIX A, BASIC GENETICS INFORMATION. Available from: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK115558/
- 3
Eneli I, et al. Appl Clin Genet. 2019; 12: 87–93